Wasulicke
Mit entsprechend gemischten Gefühlen ging ich daher die Tour an, welche sicher die Königsetappe des Wallis-Trips darstellte. Schließlich hatte auch mein linker Wanderschuh am Vortag die Grätsche gemacht, auch wenn die aufgeplatzte Schuhspitze ein Garant für gute Belüftung war. Hinzu kam die Tatsache, dass ich erst oben aus der Gondel aussteigend bemerke meine Handschuhe im Wagen liegengelassen zu haben. Wir würden später sehen, wie das Problem zu lösen sei, denn ohne Handschuhe fühle ich mich einfach unsicher.
Der Aufstieg war zunächst moderat, allmählich wurde das Panorama spektakulärer und auch das Walliser Wetter zeigte sich von seiner besten Seite. Nach nur einer Stunde erreichten wir eine kleine Hochebene, an deren Ende ein kleiner Gletscher mit einem dafür gewaltigen Geröllhaufen davon Zeuge war, dass auch hier das Eis auf dem Rückzug ist. Der Wanderweg zog über die Moräne geradewegs auf ein Joch im Bergkamm zu. Kurz vor dem Übergang wurde dann auch deutlich, was T4 heißt. Der weiß-blau-weiße Alpinwanderweg auf den wir wegen der Leitern so gespannt waren, ging ziemlich direkt über Felsstufen hinauf und machte einen recht guten Eindruck. Es gab jedoch einen alternativen weiß-rot-weißen Wanderweg, in den wir wegen der Leitern auf der anderen Route einschlugen, auch wenn dieser Weg aufgrund der Exponiertheit und des lockeren, losen Untergrunds vermutlich sogar die riskantere Wahl darstellte.
Der steile Anstieg mit geschultertem Bike war dennoch kein Problem. Heikler waren die Abschnitte, bei denen der Pfad mehr oder weniger abgerutscht war und wir uns mit einer Hand am Seil entlanghangeln mussten ... sofern eines vorhanden war. Bei der ersten Passagen verfluchte ich Dave, der die Tour ausgearbeitet hatte. Höhenmeter für Höhenmeter quälte ich mich den sehr steilen Weg hoch, dann wurde der Zustand jedoch besser, da der erst drei Jahre alte Alpinwanderweg auf unseren Weg traf. Überglücklich erreichten wir den Übergang.
Kurz danach trafen auch die zwei Schweizer und die Asiatin ein, die wir zuvor beim Aufstieg überholt hatten und brachten mir meinen Helmvisier, den ich bei der Kletterei ganz unbemerkt verloren hatte. Mann, was für ein Glück! Diesen Umstand feierten wir sogleich mit einer ausgedehnten Rast und saßen zu fünft von den ausgebreiteten Inhalten unserer Rucksäcke.
Ich erzählte von meinem Missgeschick mit den Handschuhen. Sofort kramten die Schweizer in ihren Rucksäcken und boten mir Wollhandschuhe mit Lederbesatz an. Ziemlich warm, aber gar nicht so schlecht. Wir versprachen die Handschuhe an der Hütte abzugeben.
Zunächst begleiteten uns die drei ein Stück des Abstiegs, wobei wir einen Abzweig übersahen. Aber kein Problem, im Team wurden die Bikes wieder auf den rechten Weg gebracht
und der jüngere Schweizer trug Daves Bike sogar längere Zeit für ihn!
So langsam ließ das Gelände dann auch endlich eine etwas flüssigere Abfahrt zu. Es war eine üble Strecke mit großen Felsbrocken. Doch mit ein wenig Schwung und kräftigem Körpereinsatz ging mehr, als ich dachte. Es war trotzdem mindestens genau so anstregend wie der Aufstieg. Der Trail tobte so in das nächste Gletschertal hinein. In der Ferne war auf einem Felssporn bereits die Topalihütte zu erkennen, am anderen Talende eine große Gletscherwand. Die Moräne wurde von einem kleinen Gletscherbach geteilt, der an der Abbruchkante ins Tal stürzte. Nachdem wir sie passiert hatten, kamen wir bei der Hütte an.
Sie sah eher wie ein mit Alu verpackter Ytongstein aus und war erst 2003 erbaut
worden. Innen jedoch waren alle Räume mit Holz verkleidet, im Gastraum
war eine Fensterfront mit sagenhaftem Panoramablick
auf den gegenüberliegenden Dom (4.545 m) - dem höchsten innerschweizer
Berg. Wow!
Hüttenwirt und -wirtin staunten nicht schlecht, Radler als Gäste begrüßen
zu können, denn wir waren die ersten Biker hier oben. Der Hüttenwirt
ließ sich auch gleich mit Bike auf der Terasse fotografieren. Natürlich
mussten wir auch vor der Hütte mit der Wirtin
posieren. Das Foto würde einen Ehrenplatz in der Gaststube bekommen.
Auf meine Frage nach ein paar alten Handschuhen kam der Hüttenwirt mit
einer großen Wühlkiste voller Arbeitshandschuhen an, die aber allesamt
nicht passten. Schließlich borg er mir seine Kletterhandschuhe, mit denen
er schon einige 4000er bestiegen hatte.
Auch die anderen Wanderer waren inzwischen eingetroffen und die Asiatin verputzte
auf einen Schlag den Rest unserer Schokolade, den wir ihnen als Dank für
die Wollhandschuhe gaben.
Als die Hüttenwirtin meinen inzwischen weit aufklaffenden Schuh
bemerkte, eilte sie anschließend sofort mit Tape herbei. Von so viel Gastfreundschaft
waren wir wirklich überwältigt!
Die Wandergruppe wollte hier übernachten, wir mussten aber weiter. Schließlich
war es schon fast 18 Uhr und es standen noch 1.500 Hm Abfahrt vor uns!
Nach ausgiebigem Abschied fuhren wir in einen steilen, technischen Trail
direkt unterhalb der Hütte ein. Erst an der Brücke über den Gletscherbach
war er zu Ende, und wir
konnten beim Luftholen nochmals das Panorama bestaunen. Hier mussten wir uns
für eine der Abfahrtsvarianten entscheiden. Dave hätte lieber den
laut Wirt anspruchsvolleren linken Weg genommen, wir bogen dann allerdings doch
in den vom ihm empfohlenen rechten Trail ein.
Es folgte ein flowiger, flotter Trail mit zahlreichen
kleinen Anliegern und vereinzelten Stufen. Vereinzelt wurde der eher schnelle
Trail auch von technischen Passagen unterbrochen. In einer machte ich einen
Abgang, der in Folge des weichen Bewuchses allerdings glimpflich ablief. Unterhalb
der Waldgrenze wurde der Pfad dann auch wurzeliger, verspielter und etwas technischer,
so dass auch Dave noch auf seine Kosten kam. Mit glühenden Bremsscheiben
und einem fetten Grinsen im Gesicht erreichten wir schließlich den Parkplatz.
Am Ortsausgang befand sich ein kleines Restaurant, wo ich die Handschuhe abgegeben
sollte. Dort ließen wir bei Speis und Trank einen perfekten Bike-Tag ausklingen.
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